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Neuregelung - EN 388 - EN ISO 374

Neuregelung EN 388+EN ISO 374

Interview mit Hr. Salamone von der Fa. Ansell

Hr. Piero Salamone von der Fa. Ansell - Experte im Bereich Schutzhandschuhe - stellt sich erneut unseren Fragen. Im Interview erläutert er die Neuerungen bei mechanischen Gefahren (EN 388:2016) sowie beim Schutz vor Chemikalien und Mikroorganismen (EN ISO 374:2016).

Mechanische Gefahren EN 388:2016

Was sind die wichtigsten Änderungen der neuen EN 388:2016

Die neue Norm für Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken EN 388:2016 bringt drei wesentliche Änderungen mit sich, auf die ich einzeln eingehen werde:

1. Verwendung eines neuen Schleifpapiers im Rahmen des Abriebfestigkeitstestverfahrens
2. Zusätzliches Schnittfestigkeitstestverfahren nach EN ISO 13997
3. Einführung eines Testverfahrens für den Schutz vor Stoßeinwirkungen

1. Verwendung eines neuen Schleifpapiers im Rahmen des Abriebfestigkeitstestverfahrens
Es wurde ein neues Schleifpapier zur Ermittlung der Abriebfestigkeit festgelegt, um bessere und einheitlichere Testergebnisse zu gewährleisten, da das bestehende Schleifpapier nicht mehr erhältlich war. Im Vergleich zum alten Schleifpapier, ist das neue Schleifpapier homogener, aber auch aggressiver. Das bedeutet, dass es zu Rückstufungen in der Leistungsklasse des jeweiligen Handschuhs im Vergleich zum alten Standard EN 388:2003 kommen kann.

2. Zusätzliches Schnittfestigkeitstestverfahren nach EN ISO 13997
Aufgrund neuer Technologien und Hochleistungsfasern, wie z.B. Glas- oder Edelstahlfaser, war das bestehende Testverfahren, der sogenannte Coupe-Test, unzuverlässig, da diese Fasern die im Test verwendeten Klingen stumpf werden ließ. Im Falle einer Abstumpfung der Klinge im Coupe-Test, gilt das neue Testverfahren gemäß EN ISO 13997 als Referenz für die Schnittfestigkeit. Das Ergebnis aus dem Coupe-Test ist dann nur noch indikativ.

3. Einführung eines Testverfahrens für den Schutz vor Stoßeinwirkungen
Dieses Testverfahren ist optional und wird angewendet, wenn für den Handschuh einen Schutz vor Stoßeinwirkungen proklamiert wird und entsprechende Stoßdämpfer aufweist. Zuvor konnte dieser Schutz proklamiert werden, ohne dies durch Labortestergebnisse rechtfertigen zu müssen. Um aber nun diese Schutzleistung bestätigen zu können, wurde in die neue Norm EN 388:2016 das Testverfahren gemäß EN 13594 integriert, nach der auch Motorradhandschuhe getestet werden.

Was ist der Unterschied zwischen dem bisherigen und dem neuen Schnittschutz Test?

Der Coupe-Test und das Prüfverfahren nach EN ISO 13997 unterscheiden sich in mehreren Bereichen:
Hinsichtlich des Testablaufes fährt beim Coupe-Test ein Rundmesser mit konstanter Kraft von 5 Newton auf dem Prüfling vor und zurück, bis es durchschnitten ist. Dabei rotiert das Rundmesser entgegengesetzt der Bewegungsrichtung. Hierbei werden die Anzahl der Zyklen gemessen, die für das Durchschneiden des Prüflings benötigt werden. Mit dieser Zykluszahl und unter Berücksichtigung des Abstumpfungsgrads der Klinge wird eine Indexzahl berechnet.
Beim Prüfverfahren nach EN ISO 13997 hingegen, fährt eine gerade Klinge über dem Prüfling in eine Bewegungsrichtung. Dabei ist die angewandte Kraft auf dem Prüfling zunehmend. Dadurch wird ermittelt, wie hoch der minimale Kraftaufwand ist, um den Prüfling nach einer Klingenbewegung von 20 mm zu durchschneiden. Das Ergebnis wird in Newton (N) ausgedrückt.
Unterschiede ergeben sich auch in der Anzahl der Leistungsstufen. Beim Coupe-Test haben wir fünf Leistungsstufen, die als Zahl angegeben werden während wir beim Prüfverfahren nach EN ISO 13997 sechs Leistungsstufen haben, die als Buchstaben ausgedrückt werden. Jeder Buchstabe steht für einen bestimmten Kraftaufwand in der Maßeinheit Newton (N).
Auch der Wechsel der Klinge ist in beiden Prüfverfahren unterschiedlich geregelt. Während der Wechsel der Klinge beim Coupe-Test nach der Neufassung der Norm nach 5 Testabfolgen erfolgt, wird beim Prüfverfahren nach EN ISO 13997 die Klinge nach jedem Schnitt gewechselt. Eine mögliche Abstumpfung der Klinge wird damit vorgebeugt.
Beide Prüfverfahren (Coupe-Test vs. EN ISO 13997) unterscheiden sich somit in der Klingenform (rund vs. gerade), im Testablauf (rotierendes Rundmesser fährt hin und her vs. ein gerader Schnitt), in der Krafteinwirkung auf dem Prüfling (konstant 5 N vs. zunehmend), im Ergebnis und in der Bewertung der Schnittfestigkeit (Indexzahl vs. Kraftaufwand in N), in der Anzahl der Leistungsstufen (5 vs. 6) sowie in der Regelung des Klingenwechsels (nach 5 Testabfolgen vs. nach jedem Schnitt).

Welche Werte müssen auf den Handschuhen angegeben werden?

Im neuen Schutzschild-Piktogramm der EN 388 können bis zu sechs verschiedene Mechanikschutzbewertungen deklariert werden. Diese Bewertungen enthalten zusätzliche Leistungsbewertungen der Schnittfestigkeit nach EN ISO 13997 an der 5. Stelle (e) und des Schutzes vor Stoßeinwirkungen an der 6. Stelle (f).

Sollte beim ursprünglichen Klingenschnittfestigkeitstest (Coupe-Test) die Klinge stumpf werden, muss obligatorisch das neue Testverfahren gemäß EN ISO 13997 durchgeführt werden. Dieses Ergebnis gilt als Referenzwert für die Schnittfestigkeit des Materials. Das Ergebnis aus dem Coupe-Test ist dann nur noch indikativ.
Ansell hat sich dafür entschieden, das Ergebnis aus dem Coupe-Test im Falle einer Abstumpfung der Klinge durch ein X zu ersetzen und nur noch das Ergebnis aus dem Testverfahren nach EN ISO 13997 auszuweisen. Dies schafft mehr Transparenz für den Anwender, da die Ergebnisse im Coupe-Test sehr unzuverlässig werden und irreführende Ergebnisse liefern, wenn die Klingen abgestumpft werden.
Sollte die Klinge beim Coupe-Test nicht stumpf werden, dann gilt das Ergebnis aus diesem Test als Referenzwert für die Schnittfestigkeit. Das Testverfahren nach EN ISO 13997 wäre demnach optional durchführbar.
In unserem Print- und Online-Katalog (industrialcatalogue.ansell.eu) finden Sie für unsere Handschuhe sowohl die Leistungsbewertungen nach der alten EN 388:2003 und nach der neuen EN 388:2016, insofern das Produkt bereits rezertifiziert ist.

Können die bisherigen Werte in die Neuen Werte oder die neuen Werte in die bisherigen Werte übersetzt werden?

Beide Schnitttestverfahren (Coupe-Test vs. EN ISO 13997) weisen deutliche Unterschiede im Testablauf und in den Leistungsstufen auf, sodass die jeweiligen Ergebnisse in keinem Zusammenhang zueinander gebracht werden können.
Um Ihnen und dem Anwender jedoch die Auswahl des richtigen Schnittschutzhandschuhs gemäß den Bewertungen des neuen Schnitttestverfahrens zu erleichtern, haben wir einen Leitfaden erstellt, der Sie dabei unterstützt (Link zum Leitfaden herstellen). Darüber hinaus stehen Ihnen unsere Verkaufsberater gerne zur Verfügung.

Welche Termine sind wichtig bei der neuen EN 388:2016?

Die aktuellen Zertifikate nach EN 388:2003 bleiben solange bestehen, bis die Gültigkeit des jeweiligen Zertifikats abläuft. Die Gültigkeit beträgt nach der neuen PSA-Verordnung maximal 5 Jahre. Anschließend muss das Produkt gemäß der neuen EN 388:2016 rezertifiziert werden.
Ansell wird jedoch bereits zum 21. April 2019 sein gesamtes Portfolio rezertifiziert haben.

Welche Auswirkungen hat die neue Norm auf den Anwender?

Der Anwender erhält mit dem neuen Testverfahren nach EN ISO 13997 verlässlichere Angaben zur Schnittfestigkeit, insbesondere wenn es um Handschuhe geht, die hochschnittfeste Fasern enthalten, wie z.B. Glas- oder Edelstahlfasern. Jedoch sollte man sich nicht allein auf die Angaben auf dem Handschuh verlassen, sondern weitere Faktoren berücksichtigen, die in der Praxis auftauchen. Denn eine Schnittverletzung kann aus verschiedenen Gründen resultieren, wie z.B. durch einen Griffverlust oder einen schlecht sitzenden Handschuh. Daher ist es wichtig, dass die Gefahren vollständig bewertet werden und der richtige Handschuh ausgewählt wird.

Schutz vor Chemikalien und Mikroorganismen EN ISO 374:2016

Was sind die wichtigsten Änderungen bei der neuen EN ISO 374:2016?

Die EN ISO 374:2016 schreibt eine neue dreistufige Bewertung der Chemikalienschutzleistung vor, die mit neuen Piktogrammen gekennzeichnet werden. Chemikalienschutzhandschuhe werden nun in drei Kategorien unterteilt: Typ A, B und C. Ein Handschuh des Typs A ist als vielseitigster Chemikalienschutzhandschuh zertifiziert, da er über 30 Minuten mit mindestens sechs Testchemikalien getestet wurde, die in einer Liste von 18 definierten Prüfchemikalien aufgeführt sind. Die Angabe des Typs wird über jedem Piktogramm stehen. Im Zuge dessen, wurde das Becherglassymbol (geringe Chemikalienfestigkeit/Wasserdichtigkeit) abgeschafft, da bei diesem Piktogramm Interpretationsunsicherheiten hinsichtlich der Bedeutung vorlagen.

Eine weitere wichtige Änderung ist die Überführung der Anforderungen an den Mikroorganismenschutz in eine separate Norm EN ISO 374-5. Bisher bezog sich das Mikroorganismen-Piktogramm auf den Schutz vor Bakterien Pilze. Nun kann auch der Virenschutz mit einem zusätzlichen Test übrerprüft werden. Besteht ein Handschuh diesen Test, wird unter das Mikroorganismen-Piktogramm das Wort „Virus“ hinzugefügt.
Bei Handschuhen, die eine Länge von 400 mm oder mehr aufweisen, muss auch die Stulpe zusätzlich auf ihre Chemikalienfestigkeit und Mikroorganismen- bzw. Virenschutz getestet werden.

Warum gibt es die neue Norm und neue Tests?

Gemäß den europäischen Vorschriften erfordert eine harmonisierte Norm häufige Überarbeitungen, wodurch die Norm auch dem Stand der Technik folgen kann und die Konsistenz der Testergebnisse sowie eine bessere Unterstützung von Anwendern und Sicherheitsmanagern für eine genauere Auswahl der Handschuhe gewährleistet ist.

Gibt es Änderungen bei den Prüfchemikalien?

Die Liste der Prüfchemikalien wurde von 12 auf 18 Chemikalien erweitert. Die 6 zusätzlichen Chemikalien sind zwar nicht aggressiver als die bisherigen 12 Chemikalien, aber repräsentativer für die moderne Industrie.
Wenn man sich aber vor Augen führt, dass es weltweit über 60 Millionen registrierte Chemikalien gibt und täglich über 15.000 neue Chemikalien hinzukommen, empfehlen wir eine individuelle Chemikalienanalyse mit unserem Ansell Chemical Guardian®-Konzept durchzuführen, damit Sie detaillietere Informationen zu Durchbruchzeiten verschiedener Handschuhe und Materialien für Ihre individuellen Chemikalien erhalten können. Diesen Service bieten wir Ihnen sehr gerne an.

Welche Auswirkungen hat die neue EN ISO 374 auf die Unternehmen und Mitarbeiter?

Mit der neuen EN ISO 374 kann die jeweilige Chemikalienschutzleistung des Handschuhs schneller identifiziert und zugeordnet werden. Zudem gibt es weniger Interpretationsunischerheiten bei Piktogrammen und klarere Angaben zum Schutz vor Mikroorganismen.
Für die Auswahl des richtigen Chemikalienschutzhandschuhs mit denen vom Anwender verwendeten Chemikalien empfehlen wir jedoch eine individuelle Chemikalienanalyse mit unserem Ansell Chemical Guardian®-Konzept.

Welche Termine gibt es zu beachten?

Die neuen EN ISO 374-1:2016 und EN ISO 374-5:2016, im November 2016 offiziell verabschiedet, wurden am 12. April 2017 von der Europäischen Kommission veröffentlicht und sind seit diesem Datum offiziell „harmonisiert“. In dieser offiziellen Veröffentlichung wird außerdem erklärt, dass die alte EN 374:2003 ab Ende Mai 2017 nicht länger als Nachweis einer Erfüllung der EU-Gesetzgebung gilt. Das bedeutet für Neuprodukte, dass alle mit der EN 374 kompatiblen Handschuhausführungen seit dem 1. Juni 2017 gemäß der aktuellesten Fassung der EN ISO 374:2016 zertifiziert werden müssen, während für bereits auf dem Markt befindliche Produkte eine Rezertifizierung spätestens vor dem Ablauf der bestehenden CE-Zertifizierung erfolgen muss.

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